Gute Anschreiben mit Künstlicher Intelligenz?

Das Verfassen eines individuellen Bewerbungsanschreibens ist für viele Bewerber*innen eine lästige und anstrengende Aufgabe, mit der sie sich nur ungern auseinandersetzen. So nimmt man sich vor, noch schnell eine Bewerbung zu verschicken und merkt ein paar Stunden später, dass die Suche nach überzeugenden Formulierungen viel mehr Zeit gekostet hat als gedacht.

Das Angebot einer schnellen und einfachen Lösung für dieses Problem klingt verlockend.
Kein Wunder also, dass Bewerber*innen in letzter Zeit vermehrt auf die Hilfe von Künstlicher Intelligenz zurückgreifen. Eine Eingabe ist schnell gemacht und ein Ergebnis nach ein paar Sekunden abrufbar. Doch kann man dieses Ergebnis auch tatsächlich nutzen oder besteht hier die Gefahr, mit einem KI-Anschreiben durchzufallen?

Wie funktioniert es in der Praxis?

Ein Praxistest sollte Klarheit schaffen. Auf meine Eingabe „Verfasse ein Anschreiben auf eine Stelle als Jobcoach bei der TERTIA Düsseldorf“ lieferte die einfache, kostenlose Variante von Chat-GPT folgendes Ergebnis:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung als Job-Coach bei der TERTIA Düsseldorf gelesen und bewerbe mich hiermit um diese Position.

Ich verfüge über umfassende Erfahrungen im Bereich der Beratung und Betreuung von Arbeitsuchenden und habe bereits in verschiedenen Funktionen in diesem Bereich gearbeitet. Meine Fähigkeiten im Coaching und in der Unterstützung von Personen bei der Suche nach geeigneten Stellenangeboten konnte ich durch meine Arbeit als Berufsberater und im Rahmen von Projektarbeit erweitern und vertiefen.

Besonders wichtig ist mir bei der Arbeit als Job-Coach, individuell auf die Bedürfnisse der Klienten einzugehen und sie bestmöglich zu unterstützen. Dabei arbeite ich stets lösungsorientiert und versuche, gemeinsam mit den Klienten Strategien zu entwickeln, um deren berufliche Ziele zu erreichen.

Ich bin davon überzeugt, dass ich aufgrund meiner Kompetenzen und Erfahrungen einen wertvollen Beitrag zur Arbeit von TERTIA Düsseldorf leisten kann. Ich freue mich daher sehr darauf, mich in einem persönlichen Gespräch näher vorstellen zu dürfen und stehe gerne für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
[Name]“

Was ist festzusellen?

So weit, so gut. Es bleibt positiv festzuhalten, dass der Text bereits eine klare Struktur und Gliederung zeigt, mit kurzen und gut lesbaren Absätzen. Auch eine inhaltlich sinnvolle Vorgehensweise, nämlich relevante Berufserfahrung mit den Anforderungen der Stelle abzupassen, ist in Ansätzen zu erkennen. Grammatikalisch und orthografisch sieht alles korrekt aus.

Bei genauerem Hinsehen finden wir allerdings wenig aussagekräftige Standardformulierungen wie z: B. den etwas abgedroschenen Einleitungssatz „mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung […] gelesen“. Auch Phrasen wie „mit Kompetenzen und Erfahrungen einen wertvollen Beitrag […] leisten“ sind relativ inhaltsleer und wenig konkret. Weiterhin beginnt die KI zu spekulieren, wenn sie Formulierungen wie „in verschiedenen Funktionen gearbeitet“ und „durch meine Arbeit als Berufsberater und Projektarbeit“ nutzt. Hier sollten Sie natürlich in Frage stellen, ob dies wirklich zu ihrer Vita passt: Haben Sie in verschiedenen Funktionen gearbeitet? Waren Sie als Berufsberater tätig? Kennen Sie Projektarbeit?

Die Qualität der Arbeitsergebnisse von KI hängt mit der Fülle an Informationen zusammen, auf die sie zurückgreifen kann. Meine Eingabe war sehr kurz und einfach und enthielt wenige verwertbare Informationen – folgerichtig zeigt das Anschreiben inhaltliche Schwächen. Wenn ich der KI aber detailliertere Befehle gebe, wenn das genaue Stellenangebot, Informationen zum Unternehmen und mein aktueller Lebenslauf vorliegen, sieht das Ganze sicherlich schon anders aus.

Und hier kommen Online-Jobplattformen wie Stepstone ins Spiel, die  schon längst auf diesen Zug aufgesprungen sind und ihren Kund*innen die Möglichkeit bieten, bei der Bewerbung über ihr Portal direkt ein auf die Stelle passendes Anschreiben zu generieren. Natürlich brauchen Sie dafür einen Account bei dem jeweiligen Anbieter. Sofern Ihr Lebenslauf hinterlegt ist, kann die KI auch auf diese Daten zurückgreifen und Inhalte sollten gehaltvoller und individueller werden. Das hört sich an wie eine einfache Lösung zur individuellen Bewerbung mit wenigen Klicks.

Aber Vorsicht: Natürlich kann und wird auch KI Fehler machen, spekulieren oder falsche Schlüsse ziehen. Hier kommen Sie ins Spiel. Überprüfen Sie unbedingt gewissenhaft und passen Ihr Korrekturlesen an: Nicht nur Grammatik und Rechtschreibung sollten in Ordnung sein, bei der Arbeit mit KI sollten Sie nun auch Inhalte und Bezüge kritisch in Frage stellen.

Fazit

Mein Fazit zur Nutzung von KI in Anschreiben passt zu meiner generellen Auffassung einer sinnvollen Nutzung von KI in den verschiedensten Einsatzbereichen: Probieren Sie es ruhig aus, aber verlassen Sie sich nie blind auf die Künstliche Intelligenz, sondern nutzen unbedingt auch ihren eigenen gesunden Menschenverstand. Eine gekonnte Kombination kann sicherlich zu guten Ergebnissen führen.

Über den Autor: Peter Grimm unterstützt als Coach im Talentcenter Kunden dabei, passende berufliche Perspektiven zu finden und sich erfolgreich zu bewerben.
Der Technikfan bringt langjährige Berufserfahrung im Vertrieb, Presse- und Verlagswesen (IT) sowie der Erwachsenenbildung mit. Als Magister Artium der Germanistik und Medienwissenschaft faszinieren ihn Sprache und Kommunikation – besonders im beruflichen Kontext – jeden Tag aufs Neue.

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